Die SPS – Smart Production Solutions – gilt seit Jahren als Gradmesser für technologische Trends in der industriellen Automatisierung. Vom 25. bis 27. November 2025 stand Nürnberg erneut im Fokus der Branche. Auf der Messe konnten Besucherinnen und Besucher erleben, wie nah die Industrie dem Übergang zu intelligenten, interoperablen Systemlandschaften tatsächlich gekommen ist. Besonders deutlich wurde dies an den Messeständen des ZVEI e.V. (Halle 3, 321), Baumüller (Halle1, 560) und Lenze (Halle 7, 391), wo das Forschungsprojekt Antrieb 4.0 zwei Use Cases präsentierte. 

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Der erste Use Case stellt einen datenraumbasierten Service für die herstellerübergreifende Auslegung von Antriebssystemen vor. Dieser Ansatz gehört derzeit zu den zentralen Herausforderungen der Digitalisierung von Antrieben. Denn im industriellen Alltag dominieren bisher proprietäre Softwarelösungen, fragmentierte Informationsketten und ein Mangel an standardisierten Datenmodellen. Antrieb 4.0 setzt genau hier an. Das Projekt stellt sich der Frage, wie eine gemeinsame, sichere und souveräne Datenbasis geschaffen werden kann, wenn Maschinen, Antriebe und Services verschiedener Hersteller in einem Ökosystem zusammenspielen sollen. Dass die Antwort nicht in der Entwicklung einer weiteren Insellösung liegt, sondern in einem offenen, föderierten Datenraum, stellten die Projektpartner auf der SPS eindrucksvoll unter Beweis. 
 
Der zweite Use Case ist das Digitalisierte Asset Management. Es unterstützt Hersteller und Betreiber dabei, trotz zunehmender Systemkomplexität den Gesamtzustand ihrer Anlagen transparent nachzuvollziehen. Sämtliche relevante Informationen eines Assets werden über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg zentral und in einem standardisierten Format bereitgestellt und ausschließlich befugten Akteuren im Ökosystem zugänglich gemacht. Der Use Case verfolgt das Ziel, die Effizienz des Antriebssystems zu erhöhen, Ausfallzeiten zu minimieren, die Betriebssicherheit zu steigern, die Lebensdauer zu verlängern und zirkuläre Strategien zu ermöglichen.

Michael Burghardt, Danfoss, stellte die Systemarchitektur des Datenraums Antrieb 4.0 vor.

Der Mehrwert von Antrieb 4.0 liegt vor allem großen Praxisbezug. Konsortialleiter Dr. Falk Eckert, Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI e. V.  betonte im Laufe der Messe mehrfach, dass Antrieb 4.0 konkrete Herausforderungen adressiert, die Unternehmen heute tatsächlich beschäftigen. Diese wurden auch auf der Messe diskutiert. Auf der Technology Stage powered by ZVEI/VDMA standen die technologischen Grundlagen und industriepolitischen Fragen rund um Interoperabilität und Standardisierung im Mittelpunkt. Michael Burghardt, Danfoss, eröffnete die Diskussion mit einer Keynote, in der er den Weg „aus dem Elfenbeinturm in die industrielle Praxis“ nachzeichnete. Er beschrieb die interoperable Systemarchitektur des Datenraums Antrieb 4.0 und hob hervor, dass ein sicherer Echtzeit-Datenaustausch nicht nur machbar, sondern für moderne Produktionsprozesse essenziell sei. Gerade in der Antriebstechnik führe der Übergang zu einem souveränen Datenraum zu messbaren Verbesserungen bei Effizienz und Zuverlässigkeit. Die gezeigten Use Cases zeigten aus seiner Sicht, dass Industrie 4.0 längst kein theoretisches Konzept mehr ist.
 
Daten intelligent verfügbar machen
In der Podiumsdiskussion „Standardisierung und Interoperabilität als Schlüssel: Chancen und Herausforderungen für die Industriehalle der Zukunft“ wurde deutlich, wie stark die Qualität eines digitalen Ökosystems von gemeinsamen Semantiken abhängt. Bernd Wacker von Siemens Industry formulierte es mit klaren Worten: „Antrieb 4.0 zeigt, dass einheitliche Semantik im föderierten Datenraum der zentrale Schlüssel zum souveränen, interoperablen Datenaustausch ist. Ein leichtgewichtiger Technologie-Stack hilft in der Umsetzung und ermöglicht den Teilnehmenden ein unkompliziertes Onboarding.“ 

Diskutierten im Panel „Standardisierung und Interoperabilität als Schlüssel: Chancen und Herausforderungen für die Industriehalle der Zukunft“ wie Daten intelligent verfügbar gemacht werden können: Dr. Falk Eckert (FE-ZVEI), Michael Klipphahn (ABB), Tomás López Mendez (Fraunhofer IIS), Jan Hofmann (Fraunhofer IIS) und Bernd Wacker (Siemens) (v.l.n.r.).


Auch aus wissenschaftlicher Perspektive wurde die Bedeutung der Standardisierung hervorgehoben. Tomás López Mendez vom Fraunhofer IIS bezeichnete sie als „Vermögen und Verantwortung zugleich“. Die Gestaltung interoperabler Standards entscheide über die Leistungsfähigkeit der gesamten industriellen Wertschöpfung. Nur wenn Daten intelligent verfügbar gemacht werden, könnten Unternehmen resilienter, effizienter und nachhaltiger produzieren. Sein Kollege Jan Hofmann ergänzte, dass besonders das digitale Informationsmodell der Industrie 4.0 Verwaltungsschale die Grundlage für alle digitalen Use Cases im Projekt bilde. Das Reallabor habe gezeigt, wie ein standardisiertes Modell komplexe Datenflüsse greifbar und für Unternehmen sofort nutzbar machen könne.
 
Wie konkret diese Entwicklung bereits ist, illustrierte Michael Klipphahn von ABB, der im Gespräch betonte, dass Digitalisierung in der Antriebstechnik längst keine Vision mehr sei. Durch Antrieb 4.0 würden Funktionen wie ein sicherer Echtzeit-Datenaustausch, energieeffiziente Auslegung und transparentes Asset Management alltägliche Realität. Für ABB sei diese Form der Zusammenarbeit ein wichtiger Impuls, um künftige Lösungen schneller und zielgerichteter zu entwickeln.
 
SPS Demonstrator zeigt, wie komplexe Datenflüsse in Echtzeit funktionieren
Technologisch basiert das Projekt auf einer Kombination aus OPC UA, der Verwaltungsschale und weiteren interoperablen Standards. Gemeinsam bilden sie die Grundlage eines Datenraums, der sowohl horizontale Verbindungen zwischen Antrieben unterschiedlicher Hersteller als auch vertikale Vernetzungen zwischen Maschinen, Systemen und übergreifenden Services ermöglicht. Auf der SPS wurde erstmals live demonstriert, wie diese komplexen Datenflüsse in Echtzeit funktionieren können. Damit bietet Antrieb 4.0 einen Blick in eine Zukunft, in der Antriebssysteme nicht isoliert betrieben, sondern als intelligente, vernetzte Elemente einer Produktionsumgebung verstanden werden.
 
Die Resonanz auf der SPS zeigte, dass das Interesse an solchen Lösungen groß ist. Der anhaltende Druck zu energieeffizienten Produktionsprozessen, steigende regulatorische Anforderungen und der Wunsch nach resilienten Lieferketten machen klar, dass die Industrie in den kommenden Jahren verstärkt auf interoperable Datenräume angewiesen sein wird.